2009


Jahresausstellung 2009

 

Raum 17, Altbau

Akademie der Bildenden Künste München

 

18.-26. Juli 2009

 

Fotos (c): Archiv

Ulli Ball | Jörg Besser | Martin Blumöhr | Jiyun Cheon | Lukas Dürr

Jaime Gajardo | Bea Herpich | Joe Holzner | Eunah Hong | Stefanie Hubner

Zsanet Jeck | Aga Kaszubowska | Agnes Kupeczik | Hannelore Kroll | Analía Martinez Saskia Neuhaus | Manuel Rumpf | Ivan Schmidt | Peter Schreyer | Dominik Schuberth Cynaida Sporer | Brigitte Stenzel | Adrian Wald | Olga Wiedenhöft

 

Dieses Jahr verfolgen die Studenten der Klasse Doberauer zwei unterschiedliche Konzepte zur Präsentation ihrer Arbeiten.

 

Beim Betreten des Raumes empfängt den Betrachter ein mit Gemälden bestückter Turm. Die Intention ist, den Raum für wandbezogene Arbeiten freizuhalten. In der dadurch entstandenen Installation erfahren die Arbeiten eine physische, fast skulpturale Präsenz, die die Position der Bilder im Raum neu definiert und den Betrachter zwingt, einen ungewohnten Standpunkt einzunehmen und den gewohnten – im Raumzentrum – aufzugeben. Von der Peripherie aus kann er die Malereien nun wie Fenster in einem facettenreichen, umgehbaren Bauwerk wahrnehmen.

 

An den Wänden wurden verschiedene raumbezogene Arbeiten realisiert. Einige Studenten reagierten dabei auf vorhandene räumliche und architektonische Gegebenheiten, so wurde beispielweise eine Tür „gespiegelt“ und erhielt ihr gemaltes Pendant auf der gegenüberliegenden Wand. Andere Arbeiten wurden direkt auf der Wand umgesetzt und thematisieren deren Eigenschaften wie Ausdehnung oder Oberfläche. Dabei erfahren die Wände eine gesteigerte Präsenz und Aufmerksamkeit.

 


Positionen

 

Allianz Außendienst Akademie, Köln

 

03. Dezember 2009 -30. April 2010

 

 

Rede von Prof. Anke Doberauer

 

Sie sehen hier unterschiedliche Positionen - von jungen Künstlern die ihr Studium bereits abgeschlossen haben, und von Studenten ab dem 3. Semester. 

 

 

Was heisst "Position"? -- Eigenständige Arbeit, eigene Konzeption, künstlerische Standortbestimmung im Raum der Gegenwartskunst. 

 

Man sieht oberflächlich betrachtet kaum einen Unterschied zwischen den Arbeiten der ganz jungen Studenten und den Absolventen - wie kommt das ?

Es liegt an der Art des Studiums. Wie funktioniert das ?

 

"Die Kunst ist lang, das Leben kurz (..) Nur ein Teil der Kunst kann gelehrt werden, der Künstler braucht sie ganz." (Goethe, Wilh. Meisters Lehrjahre)

 

Nur ein Teil heisst aber auch: ein Teil KANN gelehrt werden. Und wie dies geschehen kann, darum geht es hier.

 

Kunstakademien waren seit ihrer Erfindung (im 17. Jh durch Ludwig XIV) nicht vorrangig auf die Aneignung technischer Fertigkeiten oder theoretischer Kenntnisse ausgerichtet, sondern ihr Ziel war die Ausbildung der komplexen Persönlichkeit eines ausübenden Künstlers.

 

Die Münchner Akademie ist ihren in der Gründungsurkunde von 1808 durch den Philosophen Schelling formulierten Grundsätzen bis heute treu geblieben: das Studium ist frei, Zwang gibt es nicht. Ein jeder studiert nach seinen eigenen Maßgaben und in seinem eigenen Rhythmus, und setzt seine Schwerpunkte dort wo er will. 

 

Gab es zu Schellings Zeiten noch für alle verbindliche gemeinsame Lehrinhalte, akademische Fertigkeiten, die am Ende des Studiums beherrscht werden mussten, so hielt nach dem zweiten Weltkrieg die Avantgardekunst Einzug in die Akademie, und das Studium wurde so pluralistisch wie diese Kunst. Seitdem sind die Professoren ältere Kollegen, die den jüngeren ihre eigene Laufbahn und ihr eigenes Werk als Reibungsfläche und Orientierungshilfe anbieten. Die Entwicklung zur eigenständigen Künstlerpersönlichkeit geschieht im Kontakt mit anderen Persönlichkeiten. Von der Person losgelöste Inhalte oder Lehrstoffe gibt es nicht. Wozu auch. Geht es doch in der zeitgenössischen Kunst um die formal präzise Formulierung des Eigenen. An dies Eigene heranzukommen ist das Ziel der angehenden Künstler, und dazu gibt ihm die Akademie ein Umfeld, Zeit und Raum. Das Lernen geschieht durch Arbeit an der Form. So kann es an einer heutigen Akademie nicht eigentlich um Ausbildung gehen, sondern um die Ausbildung der Persönlichkeit, die Bildung genannt wird, im Sinne Goethes oder Humboldts. 

 

Die deutschen Kunstakademien geniessen international einen ausgesprochen guten Ruf. Amerikanische Künstler beneiden uns um dieses System, "the best system in the world", wie mir neulich ein New Yorker Maler sagte. Dass international anerkannte, bedeutende Künstler an Kunstakademien lehren, das gibt es fast nur in Deutschland. Der Grund ist darin zu suchen, dass bei uns eine völlige Freiheit der Lehre herrscht, und dass die Professoren nicht als Pädagogen betrachtet werden, sondern allein aufgrund ihrer Qualifikation als Künstler berufen wurden.

 

Die Lehre ist in sogenannten "Meisterklassen" organisiert. Ein lehrender Künstler ist verantwortlich für eine Gruppe von Studenten, seine Klasse, die er im Normalfall während ihres gesamten Studiums von 5-6 Jahren betreut.

 

Die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer ist eng und intensiv, sie ist durch die lange Dauer eine Konstante und damit etwas für junge Studenten enorm Wichtiges: eine Orientierung. So lange der angehende Künstler noch kein Werk hat, das einer Kritik ausgesetzt werden kann, so lange er sich noch in einem Entwicklungsstand "vor der Kunst" befindet, ist die "Reibung" an einer einzigen Person seine Möglichkeit der Selbstdefinition, ohne dass er dafür den Schutzraum der Klasse verlassen muss.

Der Klassenverband spielt eine grosse Rolle: sowohl als Ansporn, indem sich der Student hier von Anfang (no Grundlehre) an mit wesentlich fortgeschritteneren Studenten messen kann, wie auch später als Rückhalt und "Auffangnetz" für Experimente. 

 

Hier trifft der angehende Künstler auf Gleichgesinnte, die ähnlich empfinden wie er und etwas Ähnliches wollen - er hat ein Umfeld, in dem er akzeptiert ist und etwas wagen kann. Wichtig ist hier übrigens vor allem die Akademie als Ort: das gemeinsame Atelier ist ein gleichzeitig privater und öffentlicher Raum, in dem im Idealfall die meiste Lebenszeit verbracht wird.

 

An deutschen Akademien wird das spätere Leben als Freier Künstler in den Akademie-Ateliers bereits simuliert. Diese Freiheit auszuhalten, nämlich sich seine Themen und Aufgaben selber zu setzen und sich seine Zeit selbst einzuteilen, ist sehr viel schwerer, als lediglich einen vorgegebenen Stundenplan abzuarbeiten. Jeder Student entwirft sein Curriculum selber. Techniken beispielsweise erarbeitet sich der angehende Künstler in dem Moment, wo er danach das Bedürfnis verspürt und sie braucht. Praxisnäher geht es kaum.

 

Jeder Lehrer kann aber nur Lehren was er selber weiss und kann. Seine Kritik der studentischen Arbeiten geschieht auf der Basis seiner eigenen künstlerischen Position. Daraus resultieren, bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze (über die ich froh bin) doch Gemeinsamkeiten:

 

- ein figürlicher Ansatz - auch wenn sich teilweise stark davon entfernt wird

- eine gewisse konzeptuelle und formale Strenge hinter der die Inhaltlichkeit zurücktritt

- ein besonderer Stellenwert der Farbe (wo sie verwendet wird, wird sie ernstgenommen)

- Sinnlicher, physischer Aspekt der Malerei (einen rein konzeptuellen Ansatz sucht man in meiner Klasse vergeblich)

 

Für mich wird es dort interessant, wo sich der Ansatz meiner Schüler von meinem eigenen unterscheidet. 

 

Reine Malerei, Geste, Farbe, Stimmung (Arbeit nach der Natur):

  • Jaime Gajardo Landschaft, Geste, Malerisch Abstraktion-Gegenstand
  • Peter Schreyer Arbeit vor der Natur, Subjektivität, Empfindung
  • Simone Strasser Geste bzw. Abstraktion und Gegenstand
  • Adrian Wald Material Farbe, Bildträger

Theatralische Figuration:

  • Brigitte Stenzel Sozialkritik, Umwelt-Engagement (Monsanto)
  • Saskia Neuhaus Kostüm: der grosse Auftritt, Bühne, Glitzern, Stoffe
  • Jörg Besser Theatralisches, Burleske
  • Tibor Pogonyi Porträt, Inszenierung, Bezug auf Kunstgeschichte, gebrochene Romantik
  • Hanne Kroll Fotografische Bildausschnitte, Malerei aus der Materie, Stimmungen, Ironie
  • Stefanie Hubner Stimmungen, Erzählerisches 
  • Haiying Xu Konfrontation Ost-West in Technik und Sujet/ Untergang des alten China, Poesie, das Märchenhafte, mythologisches
  • Jessica Hodgkiss Menschen, Malerei (mehr formal geprägt)
  • Ivan Schmidt minimalistische Strenge, Farbe

Gender, Körper, Sex:

  • Jiyun Cheon Sexualität, Pubertät, Unschuld, Lolita
  • Olga Wiedenhöft Sex, Körperlichkeit, das Malerische
  • Katja Fischer Menschen in Handlung, Genderproblematik

Raum, Architektur, Stadt, Interieur:

  • Uli Ball Raum zwischen Abstraktion und Figuration
  • Manuel Rumpf Verlassene Un-Räume, Urbane Landschaften
  • Agnieszka Kaszubowska Landschaft, Stimmung, Helldunkel, Raum (ohne Farbe)

Alltagsstimmungen, Atmosphäre, Stadtlandschaften:

  • Liza Reich Ironie. Stimmung. Fotografie. Politik(?) Schwarzrotgold, Alltagsumgebung
  • Eunah Hong Stadtlandschaft, -Farbe

Extreme Farbe, Ironie, Liebe zum Kitsch

  • Eva Blanché Ironie, Kitsch, Schräge, extreme Farbe
  • Zsanet Jeck Expressiv, ironisch, das schrille & billige, 
  • Martin Blumöhr Groteske

Die Akademie ist nicht nur eine Bildungsanstalt, sonder hat auch eine Ausstrahlung nach aussen. Sie soll eine "Kunstgesellschaft" sein, wie ein Kunstverein oder ein Museum. Als solche bietet sie den Studenten Ausstellungen (Jahresausst. - Allianz!), Stipendien und Preise. Sie kann damit ein Sprungbrett für eine Karriere sein.

 

Im Unterschied zu den anderen Kunst-Institutionen ist sie allerdings die einzige derartige Institution, in der Künstler den Ton angeben, und nicht Kuratoren, Sammler und Sponsoren. Sie ist einer der letzten Freiräume für die Kunst, und vielleicht ist sie für die angehenden Künstler auch der letzte Ort, wo sie für ihre Arbeit eine Kritik erhalten, denn ausserhalb der Akademie besteht die Kritik für den Künstler immer mehr im Votum des Marktes.

 

Wir danken der Allianz Akademie dafür, dass sie uns die Gelegenheit zu dieser Ausstellung gegeben und unseren Klassenkatalog grosszügig gefördert hat, und gleichzeitig für die Chance, durch eine Klassenexkursion die fantastische Kunstlandschaft des Rheinlandes kennenzulernen.